Allmählichkeitsschäden sind Schäden, die nicht durch ein plötzliches Einzelereignis entstehen, sondern sich über einen längeren Zeitraum schrittweise aufbauen. Typisch sind Substanz- oder Funktionsbeeinträchtigungen durch schleichende Einwirkungen wie Feuchtigkeit, Korrosion, Versottung, Materialermüdung oder chemische Reaktionen. Der Begriff ist in vielen Sach- und Haftpflichtsparten relevant, weil die Versicherungsbedingungen plötzliche Ereignisse oft anders behandeln als langandauernde Prozesse.
In der Sachversicherung wird zwischen plötzlich und unvorhergesehen eintretenden Schäden und allmählich entstehenden Beeinträchtigungen unterschieden. Allmählichkeitsschäden liegen vor, wenn Ursache und Wirkung zeitlich auseinanderfallen und kein einzelnes, klar abgrenzbares Ereignis den Schaden auslöst. Beispiele sind schleichende Durchfeuchtung eines Daches, langsamer Rostfraß an Metallteilen oder stetige UV-Alterung von Kunststoffen.
Plötzliche Schäden sind zeitlich punktuelle Ereignisse wie Blitzschlag, Brand, Rohrbruch oder Sturmbruch. Allmählichkeitsschäden entwickeln sich dagegen fortlaufend. Diese Unterscheidung ist entscheidend für die Deckung, weil viele Policen nur benannte, plötzliche Gefahren einschließen, während langwierige Prozesse als Abnutzung, Verschleiß oder mangelhafte Instandhaltung gewertet werden können.
In klassischen Gebäude- und Inhaltsversicherungen sind Allmählichkeitsschäden häufig ausgeschlossen oder nur in eng begrenzten Konstellationen gedeckt, etwa wenn sie als Folgeschaden eines versicherten Ereignisses auftreten. Technische Versicherungen mit Allgefahrenprinzip können einzelne Szenarien erfassen, sofern ein sachlicher Schaden als Folge eines unvorhergesehenen Defekts vorliegt. In der Haftpflichtversicherung existieren spezielle Klauseln zu Allmählichkeitsschäden; hier wird geprüft, ob die dauernde Einwirkung als versichertes Haftpflichtereignis anerkannt ist.
Langsam eindringende Feuchtigkeit unter einer Dachhaut, schleichende Undichtigkeiten an Leitungen mit nachfolgender Durchfeuchtung, dauerhaft wirkende Chemikalien auf Bodenoberflächen oder kontinuierliche Vibrationen, die Materialermüdung verursachen.
Regelmäßig ausgeschlossen sind normale Abnutzung, Alterung, Materialermüdung ohne auslösendes versichertes Ereignis sowie mangelhafte Instandhaltung. Viele Bedingungen verlangen ein plötzliches, von außen einwirkendes Ereignis. Wenn Allmählichkeit ausdrücklich eingeschlossen wird, geschieht dies meist mit Sublimits, Selbstbehalten und besonderen Sicherungsanforderungen.
Versicherungsnehmer müssen Wartungs- und Kontrollpflichten erfüllen, festgestellte Mängel zeitnah beheben und Schäden unverzüglich melden. Für exponierte Bauteile sind regelmäßige Sichtprüfungen, Dichtigkeitskontrollen, Korrosionsschutz, funktionierende Entwässerung sowie dokumentierte Wartungsintervalle empfehlenswert. Verstöße gegen Obliegenheiten können zu Leistungskürzungen führen, wenn sie den Schaden begünstigt haben.
Die Abgrenzung erfordert häufig Gutachten und eine nachvollziehbare Darstellung der zeitlichen Entwicklung. Entscheidend ist, ob ein versichertes Ereignis identifiziert werden kann oder ob der Schaden ausschließlich durch langwierige Prozesse entstanden ist. Fotoserien, Wartungsprotokolle, Messwerte und Bauteilöffnungen erleichtern die Beweisführung.
Allmählichkeitsschäden sind versicherungsrechtlich sensibel, weil sie oft außerhalb des Standarddeckungsumfangs liegen. Wer Risiken aus schleichenden Einwirkungen minimieren will, setzt auf vorbeugende Instandhaltung, klare Dokumentation und prüft gezielt, ob die Police Erweiterungen oder spezielle Klauseln zu Allmählichkeitsschäden vorsieht.
Datum der letzten Änderung: 11.09.2025